Rückblick
Bericht von der Exkursion des FHP-Reallabors "Was hat die EU mit Sozialer Arbeit zu tun?" nach Brüssel
Studierende waren vom 25. bis zum 29. April 2022 in Brüssel. Ziel der Exkursion war es, Akteur*innen der europäischen Sozialpolitik zu treffen, um das Konzept EU und deren Einfluss auf die Profession Soziale Arbeit besser zu verstehen. Zudem ging es darum, Näheres zur sogenannten Säule der Sozialen Rechte und dem Aktionsprogramm der EU zur Umsetzung der dort gesteckten Ziele zu erfahren.
– Ein Bericht von Raja-Maria Conradt, Samira Wacker und Arne von Boetticher
Im Rahmen des Reallabors "Was hat die EU mit Sozialer Arbeit zu tun?" machten wir uns Ende April 2022 zu acht zusammen mit Prof. von Boetticher auf den Weg nach Brüssel. Ziel der Exkursion war es, Akteur*innen der europäischen Sozialpolitik zu treffen, um das Konzept EU und den Einfluss von diesem "Scheinriesen" auf die Profession Soziale Arbeit besser zu verstehen. Zudem ging es darum, Näheres zur sogenannten Säule der Sozialen Rechte und zum Aktionsprogramm der EU zur Umsetzung der dort gesteckten Ziele zu erfahren. Wir lernten NGOs, die Vertretung des Landes Brandenburg und eine EU-Parlamentarierin kennen, besuchten die Räumlichkeiten des EU-Parlaments und konnten das politische Leben in Brüssel für ein paar Tage miterleben.
Besuche im Parlamentarium und bei Organisationen
Der erste Programmpunkt war ein Besuch im Parlamentarium. In der Ausstellung wird über die Entstehung der EU berichtet und es werden historische Schlüsselmomente in Europa der letzten Jahrzehnte gezeigt. Es war spannend, sich vor Augen zu führen, wie Schlüsselmomente der europäischen Einigung letztlich auf das Engagement insbesondere einiger weniger Personen zurückzuführen sind.
Den ersten Besuch bei einer Organisation haben wir FEANTSA abgestattet, einer Nichtregierungsorganisation (NGO) und Dachorganisation von über 120 nationalen Organisationen im Bereich der Wohnungslosenarbeit. Ihr Ziel ist es, Wohnungslosigkeit in Europa bis 2030 zu beenden. Wir konnten hier mehr über die verschiedenen Schwerpunkte der Wohnungslosenhilfe und deren Organisation auf EU-Ebene lernen, außerdem gab es Informationen über neuere Ansätze, wie zum Beispiel das "Housing First"-Konzept.
Im Anschluss wurden wir bei der "Social Platform" empfangen. Ähnlich wie FEANTSA ist die Social-Plattform eine Dachorganisation, die sich für soziale Rechte auf EU-Ebene einsetzt und die Interessen ihrer Mitgliedsorganisationen in Brüssel vertritt. Unser Gespräch mit Alva Fynn, der Generalsekretärin von Social Platform, verschaffte uns einen beeindruckenden Einblick darin, wie man mit persönlichem Engagement und einem TEAM von (nur!) sechs Leuten versucht, Akzente in der EU-Sozialpolitik zu setzen.
In den Räumen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. (BAGFW-EU) arbeiten die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege aus Deutschland zusammen, darunter auch der Deutsche Caritasverband. Hier trafen wir am zweiten Tag einen Vertreter der BAGFW-EU und eine Vertreterin der Caritas. Beide Verbände mischen sich auf europäischer Ebene in die sozial-, bildungs- und gesundheitspolitische Diskussion ein. Ein aktuelles Thema ist ein europäisches Mindesteinkommen im Sinne eines Existenzminimums in allen Mitgliedstaaten in Abhängigkeit von der jeweiligen Wirtschaftsleistung. Die Einmischung erfolgt zum einen auf formalisiertem Weg als Mitglied im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, der sich aus Vertreter*innen aller Bereiche der organisierten Zivilgesellschaft zusammensetzt und beratende Funktion hat. Zum anderen vollzieht sich die Arbeit informell durch die Abgabe von Stellungnahmen, das Führen persönlicher Gespräche und die Durchführung von Veranstaltungen. Danach stärkten wir uns mit den oft empfohlenen Fritten im "Maison Antoine", wo u. a. schon unsere Bundeskanzlerin a. D. Kundin war, und erkundeten wahlweise das Haus der Europäischen Geschichte oder die Brüsseler Innenstadt.
Der dritte Tag begann mit einem Besuch der Vertretung des Landes Brandenburg bei der EU. Im Gespräch mit dem Leiter der EU-Vertretung und zwei seiner Mitarbeitenden wurde uns allen deutlicher, wie Gesetzgebungsverfahren zwischen Kommission, EP und Rat, also im EU-Kontext, ablaufen und welche Rolle eine einzelne Landesvertretung dabei spielt.
Besuch des Europäischen Parlaments
Abschließender Höhepunkt war ein Besuch innerhalb des Europäischen Parlaments (EP). Dort trafen wir zusammen mit MEP (Mitglied des Europäischen Parlaments) Gabriele Bischoff (SPD). Zwischen zwei Terminen erzählte sie von ihrem Werdegang, ihren inhaltlichen Schwerpunkten und ihrer täglichen Arbeit im Parlament. Danach war noch ein wenig Zeit für unsere Fragen und ihre Sicht auf die Rolle sozialer Themen im EP. Zwei Mitarbeiterinnen von Frau Bischoff begleiteten uns durch das Haus und dessen Sicherheitsschranken. Bei einem Erholungsgetränk in der hausinternen "Mickey Mouse Bar" bekamen wir interessante Einblicke, wie man zur bzw. zum Mitarbeiter*in für eine MEP wird und wie die Abläufe in einem Abgeordnetenbüro sind.
Im Anschluss konnten wir an einer Sitzung des EMPL Ausschuss (Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten) teilnehmen und EU-Politik in Echtzeit miterleben. Themen waren die "Anpassung der Bestimmungen für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz in Zeiten der COVID-19-Pandemie" und die soziale Absicherung von Lastwagenfahrer*innen im grenzüberschreitenden Fernverkehr und die Arbeit der Europäischen Arbeitsbehörde (ELA) zur Kontrolle dessen. Es war für uns der richtige Abschluss und hat alles greifbarer gemacht. Als letzten Programmpunkt stand eine Führung durch den Plenarsaal an, bei der besonders die unglaublich anspruchsvolle Arbeit der Übersetzer*innen Eindruck hinterlassen hat.
Am spannendsten und inspirierendsten fand ich den Besuch im Sozialausschuss des EP, da ich dort zum ersten Mal Politik hautnah miterleben konnte und sehen konnte, wie Debatten und Entscheidungen geführt werden, die unser alltägliches Leben betreffen (könnten).“
– Teilnehmende Person der Exkursion
Die Fahrt nach Brüssel war eine aufschlussreiche und spannende Fahrt. Auch außerhalb der Programmpunkte redeten, lachten und diskutierten wir die meiste Zeit über unsere Eindrücke, Meinungen und ganz vorne weg: das politische Mandat der Sozialen Arbeit.
Ich unterstützte schon seit langem die These, dass die Soziale Arbeit ein politisches Mandat innehält und habe es sehr positiv wahrgenommen, dass der Fokus der Reise sowie der Output der Menschen, die wir dort kennengelernt haben, dies ebenfalls bestätigten.“
– Teilnehmende Person der Exkursion
Dazwischen blieb ein bisschen Zeit Belgische Waffeln und Belgisches Bier zu probieren und als wir Freitag früh zum Zug hetzen mussten, wären wir alle gern noch ein oder zwei Tage länger geblieben. Als Eindruck bleibt, dass das anfangs von uns eher belächelte Banner am Europaparlament „Come in and make your Voice heard“ nach unserem Erleben ernst gemeint und gelebt wird. Die Aktuer*innen vor Ort waren interessiert daran, unsere Interessen und Sichtweisen zu erfahren, und davon zu berichten, wie sich Interessen in die EU (Sozial-)Politik einbringen lassen.