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Brandschutz in unterirdischen Verkehrsanlagen

Statisch-konstruktive Betrachtungen unter Berücksichtigung von setzungsempfindlichen Überbauungen

Spannungs-Dehnungslinien für Normalbeton je nach Temperatur
Spannungs-Dehnungslinien für Normalbeton © Björn Kunze
Projektzeitraum:
Typ:
Abschlussarbeit

Motivation

Durch die stetige Weiterentwicklung der Normen und Regelwerke ist die Frage nach einem Lösungsansatz für komplizierte Sachverhalte, wie die Heißbemessung von Ingenieurbauwerken in Hinsicht auf neu zu erstellende sowie bestehende Bauwerke, zu lösen.
 
Da es momentan für die Bemessung von unterirdischen Verkehrsanlagen drei Methoden zur Bemessung für ein Brandereignis gibt, wird hier die Nachweisstufe 3, welche für individuelle Randbedingungen anwendbar ist, näher betrachtet.
 
Die Arbeit soll einen Lösungsansatz bieten sowie Fragen klären, auf welche Weise ein Ingenieurbauwerk, wie bspw. ein Tunnelquerschnitt, in statisch-konstruktiver Hinsicht für ein Brandereignis nachgewiesen werden kann.

Aufgabenstellung

Brandereignisse in unterirdischen Verkehrsanlagen können im Falle einer direkten Überbauung mit setzungsempfindlichen Bauwerken (z. B. spurgebundene Verkehrswege oder Brücken) unverhältnismäßige Auswirkungen auf die Gebrauchs- und Tragfähigkeit dieser empfindlichen Überbauungen haben.
 
Die Bemessung von unterirdischen Verkehrsanlagen erfolgt prinzipiell über eine zeitschrittweise Berechnung. Hierbei werden auf der einen Seite ein zeitabhängiger Temperaturverlauf (Brandeinwirkung) und auf der anderen Seite die temperaturabhängigen Bauteileigenschaften (Materialeigenschaften, Abplatzungen) sowie die damit zusammenhängenden Steifigkeitsverteilungen berücksichtigt.
 
Für Straßentunnel, die als ein- oder mehrzelliger Rahmen in offener Bauweise errichtet werden, erlaubt die ZTV-ING unter bestimmten Voraussetzungen eine vereinfachte Berechnung unter Ansatz eines linearen Ersatztemperaturgradienten (zwischen 55 K und 25 K) bei voller Steifigkeit des Betonquerschnittes. Auch das Regelwerk Ril 853 "Eisenbahntunnel planen, bauen und instandhalten" der DB sah bis 11/2014 für Rahmenbauwerke eine vereinfachte Schnittgrößenbemessung für den Brandfall vor. Dabei wurde analog zur ZTV-ING von einem Temperaturunterschied von 50 K bei voller Steifigkeit des Betonquerschnittes ausgegangen. Seit 11/2014 fordert die Ril 853 auch für Rahmenbauwerke eine Berechnung unter Berücksichtigung von brandbedingten Effekten, wie Abplatzungen, zeitlichen Temperaturentwicklungen und temperaturabhängigem Materialverhalten.
 
Inhalt der Masterarbeit soll ein Vergleich der Berechnung unter Ansatz eines konstanten Temperaturgradienten von 50 K und der genaueren zeitschrittweisen Berechnung, bezogen auf die Tragfähigkeit und die Verformungen eines unterirdischen Bauwerkes, darstellen. Vor dem Hintergrund der besonderen Anforderungen an Bauwerke mit verformungsempfindlichen Überbauungen soll hierbei besonderes Augenmerk auf die Berechnung von Verformungen an der Bauwerksoberseite gelegt werden.
 
Weiterhin soll folgende Betrachtung zu einer Umnutzung von Bestandsbauwerken erfolgen: Falls ein Bestandsbauwerk ursprünglich nicht für den Lastfall Brand bemessen worden ist, können sich bei einer Neuberechnung Tragfähigkeitsdefizite herausstellen. Als Lösungsansatz könnten auf Grundlage einer Rauchgassimulation günstigere Temperatur-Zeit-Kurven für Decke und Wände definiert werden. Im Rahmen dieser Arbeit soll eine Variationsbetrachtung mit zwei weiteren, modifizierten Temperatur-Zeit-Kurven durchgeführt werden, bei der die Auswirkungen auf die erforderlichen Bewehrungsgrade dargestellt und diskutiert werden.

Ergebnisse

In der Arbeit wurden unterschiedliche Ansätze zur Nachweisführung für den Lastfall Brand an einem Rechteckrahmen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Brandkurven geführt. Zum einen wurde ein Vergleich der Bemessungsergebnisse zwischen dem vereinfachten Nachweis gem. ZTV-ING, Teil 5 und dem genaueren Nachweis nach DIN EN 1992-1-2 durchgeführt.
 
Bei der Berechnung mittels genauerem Rechenverfahren wurde in einem ersten Schritt eine thermische Analyse zur Bestimmung der Temperaturverteilung in den jeweils betrachteten Bauteilen durchgeführt. In einem zweiten Schritt wurde eine mechanische Analyse der betrachteten Querschnitte durchgeführt. Hier wurde aus den resultierenden Zwängungen aus der Temperaturverteilung ein äquivalenter Temperaturgradient abgeleitet. Dieser wurde dann in einem Lastfall mit den maßgebenden Gebrauchslastfällen überlagert. Bei diesem Vorgehen wurden die temperaturabhängigen Materialeigenschaften mitberücksichtigt.
 
Um einen Vergleich zu erhalten, welche Einflüsse die Berücksichtigung der Steifigkeiten für die Bemessung hat, wurde die Berechnung mit dem genaueren Berechnungsverfahren mittels ZTV-ING-Kurve und unter Berücksichtigung der vollen sowie abgeminderten Steifigkeiten durchgeführt.
 
Da es bei den beschriebenen Ansätzen bei einer Betrachtung von Bestandsbauwerken, welche nicht für den Lastfall Brand ausgelegt wurden, zu Problemen bei der Nachweisführung kommen kann, wurden zwei mögliche Ansätze mittels reduzierten Brandkurven (Variante 1 mit max. T = 600°C, Variante 2 mit max. T = 400°C) durchgeführt. Diese beiden Varianten ergaben, in Verbindung mit dem genaueren Berechnungsverfahren, eine merkliche Reduzierung der erforderlichen Bewehrungsmengen.
 
Bei den untersuchten Punkten ergaben sich folgende wesentliche Erkenntnisse:

  • Bei dem vereinfachten Nachweis des Lastfalls Brand kann gesagt werden, dass dieses auf der sicheren Seite liegt. Es werden aufgrund der vollen Steifigkeiten im Zustand I mehr Schnittgrößen in der jeweiligen Zelle, in der das Brandereignis stattfindet, angezogen als bei der Betrachtung mittels genaueren rechnerischen Nachweises.
  • Der Ansatz der abgeminderten Steifigkeiten bei dem genaueren Nachweisverfahren ist zu verfolgen. Da hier die Schnittgrößen realistischer ausfallen als beim vereinfachten Nachweisverfahren.
  • Die angesetzten Abplatzungen für den Beton ohne PP-Fasern führten zu teilweisem Ausfall der luftseitigen Bewehrung.
  • Bei den Untersuchungen mit reduzierten Brandkurven wurde ein deutliches Einsparpotenzial der Bewehrung festgestellt. Durch die Reduzierung der Temperatur entstanden geringere Zwängungen im Rechteckrahmensystem. Dies hatte zur Folge, dass zwar die Steifigkeiten nur geringfügig reduziert wurden, aber die äquivalenten Temperaturgradienten deutlich geringer ausfielen, wie bei einer Bemessung mit der ZTV-ING-Brandkurve. Für Bestandsbauwerke ist dieser Ansatz mit reduzierten Brandkurven eine gute Möglichkeit, um Bestandsbauwerke, welche nicht regulär für eine Brandbeanspruchung ausgelegt wurden, in wirtschaftlicher sowie sicherheitstechnischer Hinsicht nachzuweisen.
  • Bei den Untersuchungen der Verformungen beliefen sich diese auf ein Maximum bei dem vereinfachten Nachweisverfahren von u = 44,7 mm, bei dem genaueren Nachweis (T=1200°C) auf u = 45,2 mm, bei der reduzierten Brandkurve von T=600°C auf u = 46,3 mm und bei der reduzierten Brandkurve mit T=400°C auf u = 46,8 mm. Die Stelle der maximalen Verformungen war bei allen Untersuchungen im Riegel in der brandgeschädigten Zelle.

Es hat sich herausgestellt, dass der genauere rechnerische Nachweis des Lastfalls Brand ein aufwendiges Berechnungsverfahren darstellt. In Abhängigkeit der unterschiedlichen Randbedingungen können daraus wesentlich differenziertere Berechnungsergebnisse folgen.

Projektbeteiligte

Projektleitung

Professor für Bauwerkserhaltung, Bauen im Bestand und Holzbau
Studienfachberater Ing•Bau – Bauwerkserhaltung und Neubau im Ingenieur- und Hochbau (M. Sc.)
Leiter Baulabor Konstruktiver Ingenieurbau (BKI)

Projektleitung

Dr.-Ing. Grischa Dette, Ed. Züblin AG,  Technisches Büro Berlin

Masterabsolvent

Dipl.-Ing. (FH) Björn Kunze