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Baurechtlicher und planerischer Leitfaden zur Realisierung von Kulturveranstaltungen in ehemaligen Agrar-Gebäuden in Brandenburg

Eine exemplarische Betrachtung anhand der Nutzungsänderung zweier LPG-Kuhställe zur Kulturstätte

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft in Brandenburg hat unter anderem dazu geführt, dass immer mehr landwirtschaftlichen Betriebe vor der Nutzungsaufgabe stehen oder bereits seit Jahren brach liegen. Gleichzeitig ist im ländlichen Raum ein hohes Defizit an kulturellem Angebot festzustellen. Die Stärkung des Kulturangebots wird sowohl auf kommunaler als auch auf Bundesebene befürwortet. 

Seitenansicht eines Kuhstalles mit Grafitti
© Kathrin Bannke
Projektzeitraum:
Typ:
Abschlussarbeit
Profillinie:
Gebauter Raum – Entwerfen, Bauen, Erhalten

Ausgangslage und Aufgabe

Zahlreiche Förderprogramme sollen den Ausbau des Kulturraums unterstützen, doch gerade die Umnutzung der ehemaligen Agrar-Gebäude stellt sowohl die Kulturveranstalter als auch die Planer vor eine große und scheinbar unlösbare Herausforderung.

In diesem Leitfaden wird untersucht, mit welchen baurechtlichen Themen sich auseinandergesetzt werden muss, wenn in ehemals landwirtschaftlich genutzten Gebäuden Kulturveranstaltungen realisiert werden sollen und wie ein Gebäude auf seine Eignung als Kulturveranstaltungsort überprüft werden kann. Zudem soll untersucht werden, ob ein allgemein gültiges Ablaufschema zu entwickeln ist.

Als exemplarisches Beispielobjekt dient eine ehemalige LPG-Kuhstallanlage in Dahnsdorf im Hohen Fläming und die Vision von „ARTHOK“, einer neuen Kulturstätte im ländlichen Raum. Die beiden Kuhställe sollen für Theater- und Tanzaufführungen, Ausstellungen und Workshops umgestaltet und neu genutzt werden. Darüber hinaus sollen Künstlerresidenzen, Probenräumen, ein Künstlercafé und ein Museum entstehen. Eine kreative Austauschplattform für Künstler soll etabliert werden und diese Arbeit ein Handbuch sein, welches aufzeigt, mit welchen Themen sich auf diesem Wege auseinandersetzt werden muss.

Anhand von Checklisten mit Prüfkriterien und Diagrammen soll auch für Semi-Professionelle die Bewertung eines Gebäudes möglich werden und ein Ablauf ablesbar werden. Die schriftliche Ausarbeitung dieser Arbeit übernimmt die erklärende Funktion und geht auf die Grundlagen der Zulässigkeit eines Bauvorhabens sowie die baulichen Anforderungen und Genehmigungen ein. Dazu werden die drei Säulen des öffentlichen Baurechts intensiv beleuchtet.

Ergebnisse Zulässigkeitsbewertung

Die erste Säule, das Bauplanungsrecht, regelt, was, wo und mit welcher zulässigen Nutzung gebaut werden darf. Die exemplarische Betrachtung zeigt auf, dass insbesondere die Lage der Gebäude im Außenbereich nach § 35 BauGB eine Hürde darstellt, da dieser grundlegend von Bebauung freizuhalten und der Natur und Landwirtschaft vorbehalten ist. Aus diesem Grund fehlt bei ehemaligen Agrar-Gebäuden in den meisten Fällen die bauplanungsrechtliche Grundlage für eine dauerhafte Umnutzung. Der Gesetzgeber hat mit Abs. 4 des § 35 BauGB zwar eine Möglichkeit geschaffen, begünstigte Vorhaben im Außenbereich zuzulassen – die Bedingungen für eine Zulässigkeit erweisen sich in der Praxis jedoch für viele der leerstehenden Gebäude als schwierig oder nicht umsetzbar. Somit steht nach aktueller Rechtslage oftmals nur die Aufstellung eines Bebauungsplans und Zuordnung zum geplanten Innenbereich nach § 31 BauGB als Möglichkeit zur Verfügung. Dies ist mit einem hohen zeitlichen, planerischen und vor allem finanziellen Aufwand verbunden, der für viele Kulturschaffende nicht zu stemmen ist. Es herrscht der Wunsch nach einfacheren Lösungen. Die Untersuchung zeigt, dass zum jetzigen Zeitpunkt hierfür planungsrechtliche Modelle fehlen. Der Innenbereich hingegen bietet mehr Möglichkeiten für die Nutzungsänderung, da Einrichtungen für kulturelle Zwecke in fast allen Baugebieten nach Baunutzungsverordnung zulässig oder ausnahmsweise zulässig sind. 

Unabhängig von der bauplanungsrechtlichen Lage, gilt es bei einer Umnutzung die nachbarlichen Interessen zu wahren. Durch die Veranstaltung hervorgerufene Emissionen, wie laute Musik und Verkehr oder die Luftverschmutzung durch Abgase, zählen hierbei zu den ausschlaggebenden Faktoren, die eine Genehmigung unterbinden können. Dabei spielt sowohl die Art als auch die Häufigkeit der Kulturveranstaltung wieder eine zentrale Rolle. 

Als ein Ergebnis der Untersuchung scheint aus diesem Grund vielfach der Weg zur Genehmigungsfähigkeit nur über die, gesetzlich nicht geregelte, temporäre Nutzungsänderung zu gehen. Sie bietet gerade bei schwierigen Zulässigkeitsvoraussetzungen wie im Außenbereich, hohen Emissionswerte oder fehlenden finanziellen Mitteln mehr Möglichkeiten. 

Dies bestätigt auch die Gebäudeanalyse. Bei der Erfüllung baulicher Anforderungen stehen bei temporären Nutzungen mobile oder provisorische Lösungen zur Verfügung und Ausnahmeregelungen für seltene Ereignisse können greifen. Bewusst können, denn durch die fehlende gesetzliche Verankerung existiert kein allgemeingültiges Planungsinstrument und die Entscheidungsgewalt über eine Genehmigung liegt im Ermessen der Baubehörde.

Ergebnisse Gebäudebewertung

Bei der Gebäudebewertung haben sich mehrere Phasen abgezeichnet. Das Konzept und die umfassende Informationsbeschaffung über das Gebäude, das Grundstück und die Umgebung bilden die Basis für die weitere Einschätzung. Dabei sind Art und erforderliche Infrastruktur der Veranstaltung sowie Größe und Häufigkeit der Veranstaltung die grundlegenden Pfeiler für die Konzeptentwicklung. 

Stellt sich jedoch nach Abschluss einer Bewertung heraus, dass ein Konzept nicht wie geplant umsetzbar ist, kann eine Anpassung der Konzeptpfeiler erfolgen, um gegebenenfalls so eine Nutzung zu ermöglichen. Eine vorausschauende Planung sowie ein Nutzen des Bestands sind in jedem Fall unverzichtbare Mittel auf dem Weg zu einer effizienten Umnutzung. 

Welche baulichen Anforderungen das Gebäude in Bezug auf die neue Nutzung erfüllen muss, wird durch das Bauordnungsrecht mit der Brandenburgischen Bauordnung geregelt. Die Einhaltung der zentralen Schutzziele ist dabei Voraussetzungen für eine baurechtlich zulässige Umnutzung des Gebäudes. 

Dazu werden unter anderem der Zustand des Gebäudes, seine Tragfähigkeit und die Einhaltung der Brandschutzanforderungen eingehend geprüft. Letztere hängen maßgeblich von der Klassifizierung des Gebäudes ab. Bei Nutzungsänderungen von Agrar-Gebäuden für Kulturveranstaltungen ändert sich stets die Gebäudeklasse und oft wird eine Einstufung als Versammlungsstätte, ein Sonderbau, erforderlich. Dadurch erhöhen sich die Anforderungen an den Brandschutz. Insbesondere hinsichtlich der Rettungswege, Feuerwiderstandsklassen der Baustoffe und erforderlichen technischen Anlagen ist das Gebäude frühzeitig zu überprüfen. 

Die Analyse zeigt, dass ehemalige Agrar-Gebäude aufgrund ihrer räumlichen Gegebenheiten gut für Kulturveranstaltungen geeignet sind. Eine überwiegend erdgeschossige Nutzung und große Zugangstore ermöglichen eine schnelle Rettung im Gefahrenfall. Die Brandschutzanforderungen an die Baustoffe werden in den meisten LPG-Kuhställen sogar übererfüllt. Der hohe Anteil brennbarer Materialien in alten Scheunen kann in vielen Fällen durch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen kompensiert werden. Die Zugänglichkeit des Gebäudes für die Feuerwehr und eine ausreichende Löschwasserversorgung sind zentrale Elemente für die Genehmigungsfähigkeit. Aus diesem Grund ist ein durchdachtes Brandschutzkonzept essenziell und ein wichtiger Bestandteil dieser Arbeit. 

Als Schwachstelle haben sich bei den Kuhställen Schäden an der Konstruktion und eine ganzjährige Nutzung herauskristallisiert. Fehlende Heizsysteme und eine unzureichend isolierte thermische Hülle erschweren die Beheizung der oft großen Räume. Bei den baulichen Anforderungen ist zudem die Barrierefreiheit zu berücksichtigen, wobei im Bestand unter erschwerten Bedingungen Erleichterungen geltend gemacht werden können. Außerdem muss die Einhaltung hygienischer Standards für Sanitärräume und die Trinkwassernutzung sichergestellt sein; seit der Pandemie werden dahingehend vermehrt Hygiene- und auch Sicherheitskonzepte bereits bei kleineren Veranstaltungen gefordert. 

Diese Arbeit legt dar, dass keine klar definierten Regeln für die einzureichenden Unterlagen und die ergehenden Auflagen der Baubehörde aufzustellen sind. Es kann ein Grundstock an erforderlichen Nachweisen ausgemacht werden, der tatsächliche Umfang variiert jedoch von Landkreis zu Landkreis und von Objekt zu Objekt und wächst mit dem Wechsel von einer temporären zu einer dauerhaften Nutzungsänderung deutlich an. Jedes Gebäude ist einzigartig, selbst bei einem typisierten LPG-Kuhstall können Standort, die Umgebung und Ausführungsqualität des Gebäudes zu individuellen Entscheidungen führen. 

Dieser Leitfaden kann aber den roten Faden aufzeigen und eine Übersicht zu den betreffenden Themen, den dafür zuständigen Behörden und greifenden Gesetzen geben. Mithilfe zahlreicher Listen, Anwendungsbeispielen und Zuordnungshilfen wird der Vorhabensträger so auf die objektspezifischen Schritte für den Weg zur Realisierung einer Kulturveranstaltung vorbereitet.

Projektbeteiligte

1. Gutachterin

Prof. Silke Straub-Beutin
Professorin für Baukonstruktion
Studienfachberaterin Bauerhaltung und Bauen im Bestand (M. Eng.)

2. Gutachterin

Prof. Dr. Julia Glesner
Professorin für Kultur und Management

Masterabsolventin

Kathrin Bannke