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Rückblick

Leaving Care – Eine Perspektive auf dem 6. Brandenburgischen Erziehungshilfefachtag

Bunte Stühle aufgereiht
© AdobeStock/siraanamwong

Am 18. und 19. Oktober 2022 hat in Werder an der Havel der Fachtag mit dem Titel »Professionelle Beziehungen aktiv gestalten – 496 Tage KJSG« stattgefunden. Im Mittelpunkt der Tagung stand die Frage, welche Veränderungen ein Jahr seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (KJSG) bereits in der Praxis angekommen sind.

Ein Beitrag von Prof. Dr. Marlene-Anne Dettmann

Die Themen haben sich in den „fünf zentrale Wirkachsen des KJSG“ wiedergefunden: Prävention vor Ort, Beteiligung von Adressat*innen, Hilfen aus einer Hand, Besserer Kinder- und Jugendschutz, Stärkung von jungen Menschen/ Stärkende Alltagsgestaltung. Die Veranstaltung zeichnet sich in besonderer Weise dadurch aus, dass die Perspektiven der Fachkräfte und der Adressat*innen einbezogen werden. Diese Beteiligung war auch leittragend für den Workshop, an dessen Planung und Durchführung ich beteiligt war.

Zusammen mit Laurette Rasch von Careleaver e. V. sowie Cindy Mende und Steffen Glowa vom CareLeaverZentrum der AWO Potsdam habe ich den Workshop „Der Übergang von HzE in ???“ angeboten. Mit dem Titel haben wir Fachkräfte angesprochen, die in stationären Einrichtungen arbeiten und die junge Menschen darauf vorbereiten müssen, nach Abschluss der Hilfe selbstständig – also ohne Jugendhilfe – zu leben (Leaving Care). Seit einigen Jahren gibt es engagierte Netzwerke mit Menschen, die selbst in einer stationären Einrichtung der Hilfen zur Erziehung gelebt haben und nun mit ihrem Erfahrungswissen dazu beitragen möchten, die Strukturen in der Kinder- und Jugendhilfe positiv zu beeinflussen (z. B. Careleaver e.V.). Andererseits gibt es von Trägern und Kommunen das Interesse, ihre Angebote adressat*innenorientiert (weiter-) zu entwickeln und außerdem die neuen gesetzlichen Vorgaben zur Beteiligung von Selbstvertretungen und die Beratung und Unterstützung für Careleaver umzusetzen.

Im Workshop konnten wir mit 20 Teilnehmenden folgende Schlüsse zum Thema „Leaving Care“ ziehen:

  • Als aktuelle Herausforderungen haben wir formuliert, „Leaving Care“ nicht als Datum zu verstehen (z. b. das 18. oder 21. Lebensjahr), sondern das Verlassen einer Hilfe als Prozess zu verstehen, der Zeit benötigt und geplant werden muss. Dieser Prozess kann auch geprägt sein durch Ambivalenzen seitens der jungen Menschen, z. B. einerseits der Wunsch nach Freiheit und Selbstständigkeit uns andererseits Unsicherheiten in Bezug auf das Alleinwohnen, Haushalten und Wirtschaften. Doch auch nach dem Auszug kann es zu Situationen kommen, in denen jungen Volljährigen Unterstützung benötigen und aufgrund von fehlenden familiären Ressourcen auf die Jugendhilfe angewiesen sind.
  • Hierfür ist es für die Träger und Kommunen notwendig, im nächsten Schritt ihre (neue) gesetzliche Aufgabe zu verstehen, die Beratung und Unterstützung für junge Volljährige zu organisieren und umzusetzen sowie eine ausreichende und dauerhafte Finanzierung zu etablieren .
  • Förderlich hierfür halten wir, wenn freie Träger miteinander kooperieren, gemeinsam Angebote ausbauen oder bestehende ergänzen, anstatt jeweils eigene neue zu entwickeln. Auch die Verknüpfung von ambulanten, teilstationären und stationären Angeboten erachten wir als sinnvoll. So könnte beispielweise auch der Jugendclub zweimal jährlich einen Themenabend zum Thema „Auszug“ veranstalten und so alle jungen Menschen eines Sozialraum ansprechen. Außerdem können bei Neukonzeptionierungen direkt dauerhafte Strukturen entwickelt werden, Erfahrungswissen von Careleavern einzubeziehen.
    Grundsätzlich plädieren wir dafür Careleaver als Ressource wahrzunehmen und ihr Erfahrungswissen als Expertise zu nutzen, z. B. auch für Träger im Rahmen ihrer Qualitätsentwicklung, um die eigene Angebotsstruktur positiv weiterzuentwickeln. Hilfreich hierfür kann ein gut gepflegtes Alumninetzwerk sein.

Spätestens auf dem 7. Brandenburgischen Erziehungshilfefachtag, der 2025 im Landkreis Uckermark stattfindet, werden wir erfahren, ob sich die Angebote für junge Menschen auf dem Weg in die Selbstständigkeit weiterentwickelt haben und ihr Erfahrungswissen mehr Anerkennung findet.

 

Kontakt

Professurstellvertreterin für soziologische, sozialpsychologische und sozialarbeitswissenschaftliche Grundlagen Sozialer Arbeit