Vorstudie: Unbegleitete minderjährige Geflüchtete in Brandenburg
Vorstudie "Evaluation der Unterbringungssituation unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter im Land Brandenburg"
Abstract
Die Untersuchung zielt auf die Erfassung der Situation von unbegleiteten minderjährigen Ausländer*innen (umA). In der Studie sollen die individuelle Perspektive der jungen Flüchtlinge sowie die kommunale Angebotsstruktur von Jugendämtern und Betreuungseinrichtungen, wie diese in der Verlaufslogik des Einzelfalls konvergieren, analysiert werden. In der hier vorgeschlagenen Vorstudie wird die Erfassung der Perspektive der betreuenden Einrichtungen aus Sicht der Sozialarbeiter*innen im Mittelpunkt stehen. Explorierend und ergänzend sollen einzelne Flüchtlinge ausführlich befragt werden.
Die Vorstudie wird vorgeschlagen, um dringende Fragen nach einer Evaluation und Optimierung der Angebote zu bearbeiten. Die Vorstudie liefert eine datenbasierte Materialgrundlage für eine Tagung mit entscheidenden Akteur*innen, die im Land Brandenburg mit der Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen befasst sind. Damit wird die Basis für eine qualifizierende Evaluationsstudie gelegt, die in einem zweiten Schritt vorgesehen ist. In dieser lassen sich dann auch die Multiperspektivität der Fallverläufe umfassender erfassen. Die Evaluation zielt auf Empfehlungen für Politik, für Einrichtungen und für Fachkräfte. Ebenso ist das Ziel, relevante Forschungsergebnisse in einem bislang wenig untersuchtem Feld zu publizieren.
Leitfragen der wissenschaftlichen Untersuchung
Subjektperspektive:
Was macht die Gruppe der umA im Land Brandenburg aus? Was sind die Beweggründe der umA? Wie beurteilen die umA ihre Flucht sowie ihre Situation in Deutschland? Was sind möglicherweise Fluchtmotive und wie beeinflusst dies ihre Situation in Deutschland? Allgemeiner: Welche Interessen und Bedarfe kennzeichnen ihre Situation?
Strukturperspektive:
Wie lässt sich die Angebotslandschaft kennzeichnen? Wo bestehen Versorgungslücken und Sollbruchstellen? Welche Probleme zeigen sich? Welche Angebote funktionieren aber auch gut, haben sich möglicherweise im Sinne einer "Best-Practice" etabliert?
Zukunftsperspektive:
Welche Empfehlungen folgen hieraus?
Eine explorative Vorstudie erscheint gerade angesichts kultureller Diversität und hoher Fallzahlen sinnvoll. Der Vorstudie kommt die Aufgabe zu, im komplexen Feld der Aufnahme und Begleitung der umA wichtige Einblicke zu gewinnen. Zunächst sollen zentrale Themen, Probleme und Kategorien felderschließend erfasst werden, um darauf eine vertiefende Untersuchung aufbauen zu können. Die im zweiten Schritt geplante und auf längere Dauer angelegte Evaluationsstudie wird die Erfassung der Fallverläufe in ihrer Multiperspektivität der darin involvierten Menschen zum Ziel haben. Es ist vorgesehen, insbesondere die Subjektperspektive der Flüchtlinge, die Perspektive der Jugendämter und Verwaltung sowie die der Sozialarbeiter*innen in den Jugendhilfeeinrichtungen zu fokussieren. Dies wird vertiefende Einsichten, statistische Merkmalserfassungen, weiter ausdifferenzierte Empfehlungen für die Politik sowie ggf. auch ein Fortbildungskonzept für Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe zum Ergebnis haben.
Übergeordnetes Ziel der wissenschaftlichen Forschung ist letztlich, eine verbesserte Einschätzung der Gruppe der umA sowie ihrer Situation im Land Brandenburg zu erreichen. Dies bezieht sich einerseits auf die Subjektperspektive der umA selbst, anderseits auf die Angebotsstruktur. Damit liefert diese Untersuchung gleichsam wichtige Voraussetzungen für eine optimierte Angebotsplanung. Die Untersuchung trägt dergestalt dazu bei:
- eine geordnetere und passgenauere Angebotslandschaft zu entwickeln,
- die Arbeitssituation der Beteiligten und vor allem
- die Situation der umA im Land Brandenburg zu verbessern.
Die Forschung unterstützt die Politik in der Bewältigung der Herausforderungen, die durch den Zuzug von jungen geflüchteten Menschen im Feld der Kinder- und Jugendhilfe sowie darüber hinaus entstehen.
Forschungsansatz/Forschungs- und Prozessdesign
Für die Vorstudie wird folgendes Vorgehen vorgeschlagen: Zunächst werden Felderkundungen mit dem Ziel durchgeführt, 40 – 60 Fälle im Land Brandenburg zu erfassen. Angesichts der Komplexität des Projekts – Heterogenität der Fallverläufe, unklare Lebenssituationen, häufig nichtvorhandene Deutschkenntnisse, die Notwendigkeit des Einsatzes von Dolmetscher*innen, die Verschiedenartigkeit der Situation in den Landkreisen, unterschiedliche Intensität an KJHG-Maßnahmen etc. – werden wir den Schwerpunkt auf die Befragung von Sozialarbeiter*innen in den betreuenden Einrichtungen legen. Befragungen zu fallspezifischen Biographien, Fluchthintergründen, Fallverläufen im deutschen Hilfesystem, zur persönlichen Situation etc. sowie zur Frage, wie diese sich aus Sicht der Sozialarbeiter*innen darstellen, sollen schon innerhalb der Projektlaufzeit von einem halben Jahr substantielle Einblicke ermöglichen. Ergänzt wird dies durch Befragungen der in den untersuchten Einrichtungen lebenden Flüchtlingen selbst, dies aber aus pragmatischen Gründen in realistischer Fallanzahl.
Die Fokussierung erfolgt auf junge Menschen aus den Fluchtländern Afghanistan (614 Fälle) sowie Syrien (432 Fälle). Dies sind 44,4% resp. 31,3% aller im Land Brandenburg erfassten umAs (Stand: Januar 2016, Zahlen des MBJS). Damit würden wir durch die Vorstudie drei Viertel aller Fälle in den Blick nehmen können. Eine weitere sinnvolle Einschränkung scheint zu sein, die Vorstudie vorerst auf männliche Flüchtlinge zu konzentrieren. Von den 1046 Fällen aus den Herkunftsländern Afghanistan und Syrien sind 20 weiblich, 871 männlich (für 147 ist keine Angabe erfasst). Die weiblichen Flüchtlinge sind trotz geringer Fallzahl (2,2 %) nicht zu vernachlässigen. Angesichts der Intention dieser Vorstudie, in einem ersten Schritt einen orientierenden Einblick in die Situation der umAs auf der Grundlage möglichst aussagekräftiger Ergebnisse zu erzielen, erscheint eine solche Fokussierung u. E. sinnvoll.
Die Felderkundungen und Befragungen in der Vorstudie dienen dem Erwerb feldspezifischen Wissens zur verbesserten Planbarkeit einer größer angelegten zweiten Evaluationsstudie. Auf der Basis dieser ersten Felderkundungen lassen sich dann Forschungsinstrumente für eine vertiefte Untersuchung entwickeln. Im Rahmen einer größeren Evaluationsstudie wäre der Einbezug einer größeren Anzahl von Fällen wünschenswert. Noch zentraler wäre eine Berücksichtigung der im Hilfeprozess Beteiligten: Jugendämter, Clearingstellen, Dauerunterbringung, Vormünder*innen, Maßnahmen nach §41 etc. Die größte Wichtigkeit würde gleichsam darin bestehen, vor allem die Perspektive der Betroffenen in ausreichender Differenziertheit mit einzubeziehen; was dann den Einbezug weiterer Flüchtlingsgruppen (Mädchen und weitere Herkunftsländer) einschließen kann.
Die Forschungsdaten werden sowohl quantitativ als auch qualitativ ausgewertet. Zudem erfolgt eine thematische Analyse mit Blick auf retro- und prospektive Einschätzungen der umA. Die Forschungsergebnisse werden in Form eines Endberichtes aufbereitet. Weitergehende Publikationen in Fachzeitschriften sowie Vorträge auf Fachtagungen werden angestrebt. Die Ergebnisse bereiten darüber hinaus eine vertiefende, weiterführende Evaluationsstudie vor.
Kontakt
Projektleitung
Projektleitung
Dr. Timo Ackermann