Auslandssemester an der École nationale supérieure d’architecture de Marseille – Bachelor Architektur und Städtebau
May studiert an der FHP Architektur und Städtebau (B. A.). Hier berichtet sie von ihrem Auslandssemester an der Partnerhochschule École nationale supérieure d’architecture de Marseille im Wintersemester 2022/23 und Sommersemester 2023.
Mays Erfahrungen
Die Entscheidung
Ich wollte schon immer mal für eine längere Zeit in Frankreich leben, um die Sprache zu lernen und ein Gefühl für das Leben vor Ort zu bekommen. 2019 bin ich zum ersten Mal nach Marseille gereist und war sehr begeistert von der Stadt und der Natur. Bei einer Wanderung in die Calanques habe ich das École nationale supérieure d’architecture de Marseille und die Beaux-Arts entdeckt. Zum damaligen Zeitpunkt habe ich noch nicht Architektur studiert, aber dachte mir, falls ich es studiere, dass ich gerne dort ein Erasmus Semester machen würde. Und wie der Zufall es wollte, ist es eine Partneruniversität der FH Potsdam.
Ich habe mich auch direkt für ein Jahr beworben, da ich sonst das Gefühl hatte, nicht genug Zeit zu haben, um mich darauf einzulassen und alles zu erleben, ohne Zeitdruck zu verspüren. Das war für mich auch die richtige Entscheidung.
Die Vorbereitungen
Für mich war der Bewerbungsprozess sehr aufregend, da ich mich nur für Marseille beworben hatte und wir lange auf eine Rückmeldung warten mussten. Dadurch hatte ich Angst, dass es nicht klappt, obwohl ich mich schon sehr darauf gefreut hatte. Außerdem hatte ich auch Angst vor der Sprache, da ich zwar in der Schule Französisch hatte, aber aus vorherigen Urlauben wusste, dass Schul-Französisch und Umgangssprache sehr unterschiedlich sind. Deswegen habe ich zur Vorbereitung im Januar 2022 angefangen, in Berlin an Volkshochschulen verschiedene Sprachkurse zu belegen, vor allem um mich auf den Unterricht auf Französisch vorzubereiten. Als ich die Zusage hatte, habe ich mich sehr gefreut. Ich bin dann mit dem Zug angereist, was sehr gut geht, da man nur einmal in Frankfurt umsteigen muss. Insgesamt dauert die Reise einen Tag, aber ist sehr schön und man kann sich gut auf den Wechsel der Länder einlassen. Außerdem bekommt man auch noch einen Reise-Zuschlag von Erasmus, wenn man nicht fliegt.
Die Unterkunft
Mit der Wohnungssuche habe ich so ca. 2 Monate vor meiner Reise angefangen, über verschiedene Internetseiten: Einmal über Facebook, aber für Frankreich kann ich vor allem die Seiten Cartedecoloc und Leboncoin empfehlen. Ich habe meine erste WG dann über Leboncoin gefunden und konnte eine Online-Besichtigung machen. Ich fand es sehr schwer, online nach Wohnungen zu gucken und nicht vor Ort zu sein, da man so die Lage und Umgebung nicht wirklich einschätzen kann und man sich noch nicht in der Stadt auskennt. Was zu Beginn auch verwirrend war, ist, dass in Frankreich die Zimmer immer einzeln vermietet werden. Das heißt, dass du immer direkten Kontakt mit dem Vermieter hast und dadurch selten weißt, wer sonst noch in der Wohnung wohnt. Das war irritierend, aber hatte auch den Vorteil, dass eigentlich alle WG-Zimmer möbliert sind, was für mich natürlich sehr gut war. Ein weiterer Vorteil ist, dass du in WGs eigentlich immer eine Art Wohnzimmer hast. Ich hatte für die Wohnung, die ich damals, als ich noch in Berlin war, gefunden habe, einen Mietvertrag bis Februar abgeschlossen, weil ich mich noch nicht für ein Jahr festlegen wollte, und dachte, dass man, sobald man vor Ort ist, die Situation besser einschätzen kann. Das war auch sehr gut, weil ich dann nochmal im Februar umgezogen bin in eine Wohnung, die viel geräumiger war, mit einem großen Wohnzimmer und die auch von der Lage besser war. Meistens kann man seinen Mietvertrag auch einen Monat vorher kündigen.
Das Studium an der Hochschule
Es gab zu Beginn eine Einführungsveranstaltung, dort wurde einem vor allem die Uni gezeigt. Allgemein war jedoch die Kommunikation mit der Partner-Uni vor Beginn des Auslandssemesters aus Krankheitsgründen im International Office sehr unorganisiert. Deswegen hat man sich nicht wirklich vorbereitet gefühlt. Die Uni hat früher begonnen, als wir dachten, da die Uni in Frankreich immer im September beginnt und es zudem an der Architektur-Uni vorher immer noch eine „semaine intensive“ gibt. Ich habe im ersten Semester vor allem Kurse aus dem fünften Semester gewählt. Der Aufbau der Kurse ist ähnlich wie in Potsdam, weshalb man sich gut einfinden konnte. Im ersten Semester habe ich sehr viele Kurse gewählt, was mich dann doch ein bisschen überfordert hat, vor allem auf einer anderen Sprache. Meine Prüfungen waren alle in Form einer Präsentation oder einer Hausarbeit. Im zweiten Semester habe ich dann etwas weniger Kurse gewählt und mich vor allem wieder dem Entwerfen gewidmet. Ich habe auch ein paar Kurse aus dem vierten Semester gemacht, da meine Mitstudierenden aus dem sechsten Semester sonst primär Kurse für ihre Bachelorarbeit hatten. Das Bachelorstudium dauert hier nämlich nicht vier Jahre, sondern drei. Die Arbeitsatmosphäre war ähnlich wie in Potsdam, wobei der größte Unterschied in den Themen lag, die mehr auf die mediterrane Region abgestimmt waren. Auch lag der Fokus mehr auf den Modellen und dem Grundriss an sich und weniger auf der Umgebung. Das war sehr interessant und ich bin dankbar für die neue Perspektive.
Alltag und Freizeit
Die Lebenshaltungskosten sind schon teurer als in Berlin, vor allem das Einkaufen in den Supermärkten und Essengehen. Es gibt aber Märkte, auf denen Gemüse und frisches Essen billiger ist, wie zum Beispiel in Noailles.
Die Miete ist ähnlich wie in Deutschland: Zwischen 400 und 600 Euro findet man etwas. Günstiger sind natürlich die Wohnheime, aber die sind auch oft in nicht allzu guten Zuständen; kommt auf das Wohnheim an.
Marseille ist eine sehr vielfältige Stadt und man kann viel unternehmen. Es gibt viele Secondhand-Läden, Märkte, Bars und Kinos. Wenn einem die Stadt zu trubelig wird, kann man gut in die Natur und in den Calanques Wanderngehen (Calanque de Sugiton, Les Goudes, Ile de frioul), oder auch einfach ans Meer gehen und Schwimmen. Es gibt viele wunderschöne Strände in der Stadt. Mein Lieblingsstrand ist bei Malmousque.
Im Winter war ich auch ein paar mal surfen, da im Mittelmeer im Winter mit genug Wind auch gute Wellen entstehen, was ich vorher auch nicht wusste. Sonst habe ich über ein Kulturzentrum auch einen Boxkurs gemacht, wo es ein großes Angebot von Kursen auf Spendenbasis gibt (coco velten, friche belle de mai).
Fazit und Tipps
Mir hat mein Auslandsaufenthalt sehr gut gefallen und gefällt mir auch im Nachhinein immer noch sehr gut. Ich habe mich sehr in die Stadt verliebt und kann jedem empfehlen, hier mit einer gewissen Offenheit für Neues und neue Erfahrungen hinzukommen. Es gab natürlich auch sehr viele Momente, die mich herausgefordert haben und Dinge, die anders sind als in der Heimat. Für diese Momente kann ich vor allem empfehlen, geduldig zu sein, da meist doch alles funktioniert und man nur etwas Zeit braucht. Außerdem darf man, glaube ich, auch nicht zu hohe Erwartungen an sich selbst haben und Druck aufbauen.
Ich würde auf jeden Fall empfehlen, vorher Französischkurse zu belegen, da die Sprachbarriere eines meiner größten Probleme war. Aber man sollte sich auch nicht davon einschüchtern lassen. Denn sobald man probiert, die Sprache zu sprechen, reagieren die Menschen in Marseille offen, und es ist nicht schlimm, wenn man Fehler macht.
Ich habe in diesem Jahr super viel gelernt: Eine weitere Sichtweise auf Architektur, Französisch Basics, darüber wie es ist, in einer anderen Stadt zu leben und sich einen neuen Freundeskreis aufzubauen, und über mich selbst: Was ich brauche, was nicht, wie ich mit Ungewohntem umgehe.
Ich kann einen längeren Aufenthalt in Marseille nur empfehlen und auch, von dort aus Ausflüge in den Rest Frankreichs zu machen, obwohl die Stadt selbst schon genug zu bieten hat!