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Rückblick

Das Künstler*innen-Archiv der Berlinischen Galerie – Ein Archiv als Teil eines Museums

Archiv der Berlinischen Galerie
© Fachbereich Informationswissenschaften

"Warum aufhören, wenn es am schönsten ist?" Sharon Hundehege und Paula Weyrauch besuchen das Künstler*innenarchiv der Berlinischen Galerie.

 Einen Blick hinter die Kulissen von Kulturarchiven werfen – das konnten Studierende der Informationswissenschaften im Rahmen eines Seminars von Frau Prof. Dr. Freund in der zweiten Blockwoche des Wintersemesters 2023/2024. Die Exkursionen zeigten den Studierenden, wie sich Kulturarchive von anderen Archivsparten unterscheiden und gaben einen Einblick in deren höchst diverse Bestände. Aber auch Schwierigkeiten wie Finanzierung und Digitalisierung wurden angesprochen. Nach Ende der Blockwoche hatten die Studierenden drei Kulturarchive besucht: die Mediathek für Tanz und Theater am Künstlerquartier Bethanien, das Baukunstarchiv der Akademie der Künste und das Archiv für Film- und Medienkunst der Akademie der Künste. Dennoch war das weite Feld der Kulturarchive immer noch eher umrissen als durchdrungen. Also warum aufhören, wenn es am schönsten ist? 

Im Folgenden stellen deshalb Sharon Hundehege und Paula Weyrauch das Künstler*innenarchiv der Berlinischen Galerie vor. Den Einblick ermöglichte Philip Gorki, der die Studierenden durch das Haus und das Archiv führte und sie mit „seinem“ Archiv bekannt machte.

Das Gebäude – Ein MoMa für Berlin

Das Künstler*innenarchiv ist seit 2004 im neuen Gebäude, Alte Jakobstraße 124 – 128, untergebracht. Wie bei vielen Archivgebäuden handelt es sich hier nicht um einen Archivzweckbau – während der deutschen Teilung lagerten die Westberliner*innen hier nämlich ihr Fensterglas, um dieses im Falle einer Blockade vorrätig zu haben. Obwohl das Gebäude nicht mit dem Ideal eines Archivzweckbaus im Hinterkopf erbaut wurde, erreicht es heute dank seiner guten Bausubstanz und technischer Lösungen einen fantastischen Standard: So herrschen in den Depots, in denen die Fotografien gelagert werden, konstant 18 °C. Eine Besonderheit in Berlin, wie Gorki mitteilt.

Wie viele Kulturarchive findet sich auch in dem als MoMA Berlins geplanten Museum nicht genügend Platz, um allem einen eigenen Raum zu geben, weshalb dieser gut eingeteilt sein muss: Einen eigenen Studiensaal für Nutzer*innen gibt es zum Beispiel nicht, er ist gleichzeitig Restaurationswerkstatt, Arbeitsplatz der Archivar*innen und Projektmitarbeitenden und hat am Ende noch ein kleines Fotostudio, in dem die Objekte digitalisiert werden. Ein Museum/ein Archiv/eine Bibliothek – alles unter einem Dach.

Wie viele Kulturinstitutionen bietet auch die Berlinische Galerie ihren Besucher*innen vielseitige Möglichkeiten, sich mit ihrem Thema auseinanderzusetzen. Somit sitzen allerdings auch viele Interessierte am Tisch, wenn es um die Verteilung der Gelder geht. Geld für die Anschaffung neuer Archivalien oder Nachlässe ist somit nicht gewiss. Für die Festanstellung von weiteren Archivmitarbeitenden gibt es wie so oft sowieso nicht genug. Laut Gorki wird deshalb auch auf die Drittmittellösung zurückgegriffen, das heißt, über Projekte werden weitere Mitarbeitende im Archiv gehalten und bezahlt. Derzeit gibt es einschließlich Herrn Gorkis zwei festangestellte Archivar*innen. Die Teilung der Ressourcen betrifft auch die Arbeit der Restaurationswerkstatt, die Ausstellungsobjekten ab und zu den Vorrang vor Archivalien geben muss.

Berliner Kunst und Kunstschaffende – Der Bestand des Künstler*innenarchivs

Der Grundstock des Bestandes des Archivs der Berlinischen Galerie wird von den Nachlässen Raoul Hausmanns und Hannah Höchs gebildet, beide zentrale Persönlichkeiten der Dada-Bewegung. Der Sammelfokus des Archivs liegt aber nicht allein auf den Künstler*innen des Dadaismus, auch wenn es sicherlich die weltweit umfassendste Sammlung zu dieser Bewegung hat: Wichtig ist vor allem ein Bezug zur Stadt Berlin. Mittlerweile finden nicht mehr nur die Nachlässe von Künstler*innen Eingang in das Archiv, sondern auch von Kunsthändler*innen. Forschende können somit das Feld der Kunst aus verschiedenen Blickwinkeln erforschen. Die Archivalien des Künstler*innenarchivs verdeutlichen die große Spannweite von dem, was archivwürdig sein kann. 

Auf die Frage nach seiner Lieblingsarchivalie antwortet Herr Gorki erst nach einer langen Denkpause, aufgrund der Masse an Auswahlmöglichkeiten, und nennt schließlich drei:

  • Das Adressbuch Hannah Höchs, das sie im Zeitraum von 1920 bis 1970 führte. Besonders begeistert Philip Gorki hieran, wie sich die Handschrift der Künstlerin mit der Zeit veränderte und, dass die Adresse Hausmanns erst nach dem Ende der Liebesbeziehung zwischen beiden Eingang in das Taschenbuch fand.
  •  Die Locken von Marta Astfalck-Vietz verstorbenem Hund, die für ihn ein kurioses Beispiel für „living remains“ ausmachen.
  • Und zuletzt das Skizzenbuch Lotte Lasersteins, durch das man einen Einblick in den Schaffensprozess der Künstlerin gewinnen kann.

Ein Einblick in die Spannweite des Künstler*innenarchivs der Berlinischen Galerie gewinnt man nicht nur durch einen Besuch des Archivs, sondern auch in den Ausstellungen. In den Glaskästen stellt das Archiv immer selbst ausgewählte Objekte aus, welche die ausgestellten Objekte ergänzen. 

Sharon Hundehege und Paula Weyrauch empfehlen einen Besuch der Berlinischen Galerie und bedanken sich sehr herzlich bei Philip Gorki für die eloquente, spannende und ausführliche Führung durch das Archiv.
 

Ein Artikel von Sharon Hundehege und Paula Weyrauch

Kontakt

Prof. Dr. Susanne Freund
Professorin für Archivwissenschaft
Projektleiterin graduale Fernweiterbildung Archiv
Projektleiterin des Weiterbildungs-Studiengangs Archivwissenschaft (M. A.)
Projektleiterin des Weiterbildungsprogramms "Archive im Informationszeitalter"